Lawrence Weiner

Bent & Broken Shafts of Light

11. 11. 2000 — 18. 2. 2001

Infos

Die Sammlung des Kunst­mu­seum Wolfsburg setzt zeitlich im Jahr 1968 ein, in jenem Jahr, als Lawrence Weiner (geb. 1942) in Form des Buches „State­ments“ seine Sprach­ar­beiten erstmals formu­lierte und damit der Konzept­kunst neue Impulse verlieh. Seither war die Rezeption des Künstlers in Deutsch­land eine sehr konti­nu­ier­liche und intensive. Bereits in den 70er-Jahren fanden eine Reihe von Galerie­aus­stel­lungen in Düssel­dorf, Berlin und München statt. Ebenso zu erwähnen sind seine Betei­li­gungen an der documenta in Kassel 1972 und 1982, an „Skulptur. Projekte in Münster“ im Jahr 1997 sowie seine Arbeiten, die für den öffent­li­chen Raum reali­siert wurden.

Im Jahr 1960, welches Weiner rückbli­ckend als Anfang seiner künst­le­ri­schen Entwick­lung versteht, ging er von New York nach Kalifor­nien und unter­suchte dort in einer Reihe von „Cratering Pieces“ die Grenzen der herkömm­li­chen Bestim­mung von Skulptur, indem er verschie­den­ar­tige Löcher durch die Explosion von Spreng­sätzen erzeugte.

Zurück in New York begann Weiner sich mit dem Medium Malerei ausein­an­der­zu­setzen. Eine Reihe von „Propeller-Bildern“ entstand, die formal auf Fernseh­test­bilder zurück­gehen. In der Folge wurde eine andere Person, zumeist der zukünf­tige Besitzer der Arbeiten, in den Entste­hungs­pro­zess einbe­zogen. Format, Farbauf­trag und Form des Bildes wurde gemeinsam bestimmt, sodass der künst­le­ri­sche Produk­ti­ons­her­gang trans­pa­rent und die künst­le­ri­sche Arbeit entmy­thi­siert wurde. Die Trennung von Produzent und Rezipient wurde in diesen Arbeiten aufge­hoben, ein wesent­li­cher Aspekt des Werkes war der Diskurs der Betei­ligten. Weiner erkannte, dass „… wenn man sich im Wesent­li­chen mit der Idee dessen beschäf­tigt, was man macht, sei es das Herstellen von Skulp­turen oder Bildern oder ein Tanz, die sauberste Art und Weise der Präsen­ta­tion die verbale Infor­ma­tion ist.“ und so setzte er die der Bilder­serie zugrunde liegende Bildkon­zep­tion 1968 schließ­lich in Sprache, d. h. eine Bildbe­schrei­bung um.

Im Jahr 1972 begann Weiner, die Wände von Ausstel­lungs­räumen direkt zu beschriften. Bis dahin waren die Werke auf Einla­dungs­karten verschickt, auf Plakate gedruckt, auf Papier­bögen verteilt oder einfach an die Wand geheftet worden. Oft war der Künstler zu Diskus­sionen in der Galerie anwesend. Vor allem das Plakat wurde für Weiner zum wichtigen Träger seiner Arbeiten. In vielen Fällen anonym über die Stadt verteilt, ohne Angabe des Künst­ler­namen oder des Veran­stal­ters, diente es nicht mehr allein als Ankün­di­gung, sondern war selbst Teil der Werkprä­sen­ta­tion. Außerhalb des insti­tu­tio­na­li­sierten Kunst­be­triebes wurden die Werke Anfang der 70er-Jahre in Tages­zei­tungen publi­ziert, auf Hauswände geschrieben oder im öffent­li­chen Raum per Schablo­nen­in­stal­la­tion verbreitet. Darüber hinaus nutzte Weiner die Vertei­ler­struktur auf Gebrauchs­ob­jekten wie Streich­holz­schach­teln, Tüchern, Aufkle­bern und Ansteck­na­deln, um sein Werk über die Grenzen des einge­weihten Kunst­pu­bli­kums hinaus in Umlauf zu bringen.

Die Instal­la­tion der Arbeiten in Form von Wandschriften ist eine unter vielen Möglich­keiten der Präsen­ta­tion. Abhängig vom jewei­ligen Raum und dem Zeitpunkt der Ausfüh­rung können sich Ausmaße, räumliche Platzie­rung und auch die Typografie ein und derselben Arbeit verändern.

Für die große Ausstel­lungs­halle des Kunst­mu­seums Wolfsburg hat Weiner eine Arbeit konzi­piert, die sich mit Farben und der Immate­ria­lität von Licht ausein­an­der­setzt. Auf jede der 40 x 16,5 m großen Wände wird ein Teil des Textes aufge­bracht. Auch die Säulen der Halle wurden in das Gesamt­kon­zept mit einbezogen.

Gijs van Tuyl, der Direktor des Kunst­mu­seums Wolfsburg, sagt zu der Wolfs­burger Arbeit: „Licht als Skulptur oder sogar als Malerei überdeckt und öffnet die Wände des Museums mit einem Farbspek­trum, das an einen weltum­span­nenden Regen­bogen denken lässt. Die Auflösung der Wände durch die sie bedeckenden Farbstreifen Rot, Blau, Grün, Violett, Gelb und die Öffnung vom Weiß der Buchstaben macht die Museums­ar­chi­tektur so trans­pa­rent, dass sie fast verschwindet. Die Archi­tektur ist nur noch Oberfläche für Texte zur Skulptur.“

„Bent & Broken Shafts of Light“ ist eine Kompo­si­tion von Texten, die sich mit der vielschich­tigen Realität der Wahrneh­mung und indivi­du­eller Assozia­tionen befassen, wie sie in einem Raum neben­ein­ander bestehen und aufein­ander einwirken. „Bent & Broken Shafts of Light“ spielen auf ein beson­deres Licht­phä­nomen, das Polar- oder Nordlicht an. Diese nachts sichtbare und nur in den nördli­chen Polar­ge­bieten auftre­tende Leuch­ter­schei­nung zeichnet sich durch farbige Licht­li­nien vorwie­gend in grün, rot und blauvio­lett aus. Inten­sität, Farbe und Struktur, sogenannte Licht­bänder, variieren zeitlich und örtlich in schneller Folge, was sich in Flackern und unregel­mä­ßiger Bewegung der Erschei­nungen nieder­schlägt. Die Arbeit ist jedoch mehr als der Reflex eines Natur­phä­no­mens. In SEEN AS RED & USED AS SUCH, SEEN AS BLUE & USED AS SUCH etc. verweist das Verb ‚sehen‘ auf eine Aneignung der Farben, welches durch ‚used‘ (benutzt/gebraucht) unmit­telbar die Malerei zum Gegen­stand der Ausein­an­der­set­zung macht.

Katalog
Lawrence Weiner. Bent & Broken Shafts of Light [Künst­ler­buch]
20,5 x 32,5 cm, ca. 82 S., 48 s/w und 27 farbige Abb.
Hatje Cantz Verlag, Ostfil­dern-Ruit 2000
ISBN 3–7757-1025–6
vergriffen