This Was Tomorrow. Pop Art in Great Britain

30. 10. 2016 — 19. 2. 2017

Infos

Genau 60 Jahre nach Richard Hamiltons bahnbre­chender Multi­media-Instal­la­tion „Fun House“, reali­siert für die Ausstel­lung „this is tomorrow“ 1956 in London, vereint die retro­spek­tive Überblicks­schau „This Was Tomorrow“ im Kunst­mu­seum Wolfsburg in einer multi­me­dialen Raumin­sze­nie­rung Malerei, Skulptur, Collage, Archi­tektur, Zeichnung, Instal­la­tion, Film, Musik, Fernsehen und Fotografie zu einem umfas­senden Panorama der Pop Art in Großbritannien.

Was konkret ist kunst- und kultur­his­to­risch neu und anders in dieser Ausstel­lung? Der besondere Blick auf weibliche Akteure der Pop Art, der starke Fokus auf die eng mit der Kunst­szene vernetzten Archi­tekten Alison und Peter Smithson, Cedric Price, Archigram und die dezidierte Einbe­zie­hung von Musik, Zeitschrif­ten­kultur, Fernsehen und Film als gleich­wer­tige Medien weiterer Grenz­über­schrei­tung. Markant ist auch der erwei­terte Zeitrahmen: Der Bogen der Ausstel­lung spannt sich von Eduardo Paolozzis frühen Pariser Collagen von 1947 bis zum Höhe- und Endpunkt des „Swinging London” 1968 rund um Mick Jagger und Robert Fraser, Starga­le­rist und Pop-Netzwerker par excellence.

Atmosphä­risch dichte Innen­räume spiegeln die inten­siven Zusam­men­künfte der Künstler und die Tristesse der engli­schen Nachkriegs­ka­pi­tale sowie die ersten, zukunfts­wei­senden Kunst- und Archi­tek­tur­pro­jekte. Nigel Hender­sons eindring­liche Schwarz-Weiß-Fotogra­fien eines entbeh­rungs­rei­chen Wieder­auf­baus treffen auf Modelle und Entwurfs­zeich­nungen der Smithsons für ihr „House of the Future“. Comics, Science-Fiction, wissen­schaft­liche Buchil­lus­tra­tionen, Werbe­an­zeigen, Hollywood-Filme und Zeitschrif­ten­seiten werden jenseits jeden klassi­schen High-and-Low-Denkens als Inspi­ra­ti­ons­quellen sichtbar. Nach der Raumex­plo­sion von Richard Hamiltons „Fun House“, das in allen sinnli­chen Details inklusive Jukebox und Erdbeer­duft rekon­stru­iert wird, betreten die Besucher mit der großen Ausstel­lungs­halle des Kunst­mu­seums eine veritable „City of the Sixties“.

In der 16 Meter hohen Halle sind Straßen, Plätze und Künst­ler­häuser für die sehr indivi­duell arbei­tenden, jedoch nicht selten freund­schaft­lich und inhalt­lich verbun­denen Akteure der Kunst- und Kultur­szene der „Swinging Sixties“ entstanden. Zentrale Protago­nisten wie Peter Blake, David Hockney, R. B. Kitaj und Allen Jones, etwas unbekann­tere, jedoch wesent­liche Mitstreiter wie Derek Boshier, Peter Phillips, Richard Smith, Gerald Laing, Patrick Caulfield, Antony Donaldson, Colin Self und Joe Tilson, aber auch die oft vernach­läs­sigten, dezidiert weibli­chen Positionen von Pauline Boty und Jann Haworth sind dort mit größeren Werkgruppen zu erleben.

Stets geht es darum, die zahlrei­chen, heute meist verges­senen Querver­bin­dungen zwischen den damals fluide werdenden Kultur­formen und ihren kreativen Akteuren exempla­risch sichtbar zu machen. Der weite Bogen der Ausstel­lung, von der Initialzün­dung der frühen Zeitschrif­ten­col­lagen Paolozzis über die zwischen Atomangst und Fortschritt­seu­phorie pendelnden Arbeiten von Colin Self oder Gerald Laing bis zu Hamiltons Bildre­lief mit den wegen Drogen­miss­brauchs in Handschellen gelegten Mick Jagger und Robert Fraser, macht die künst­le­ri­sche und kultur­his­to­ri­sche Bedeutung der briti­schen Pop Art mit allen Sinnen erlebbar – und erschließt diese Zeit als wesent­liche Vorge­schichte unseres Heute.

Die Ausstel­lung wird von der Volks­wagen Financial Services AG unterstützt.

KünstlerInnen, ArchitektInnen, Filmregisseure, Musikbands und Fotografen

Michel­an­gelo Antonioni, Archigram, David Bailey, The Beatles, Peter Blake, Derek Boshier, Pauline Boty, Patrick Caulfield, Antony Donaldson, Richard Hamilton, Jann Haworth, Nigel Henderson, David Hockney, Allen Jones, R. B. Kitaj, Gerald Laing, Roger Mayne, Lewis Morley, Eduardo Paolozzi, Peter Phillips, Cedric Price, Ken Russell, James Scott, Colin Self, Michael Seymour, Richard Smith, Alison and Peter Smithson, Lord Snowdon, The Rolling Stones, Joe Tilson, The Who.

Ausstellungskatalog

Zur Ausstel­lung erscheint im Wienand Verlag der gleich­na­mige umfas­sende Katalog in deutscher und engli­scher Ausgabe, heraus­ge­geben von Ralf Beil und Uta Ruhkamp, mit Essays von Ralf Beil, David E. Brauer, Anne Massey, Rainer Metzger, Uta Ruhkamp und John-Paul Stonard, Texten u. a. von Daniel F. Herrmann, Kay Heymer, Francis Outred, Sue Tate und Victoria Walsh sowie einer Chrono­logie der Jahre 1947 bis 1968. 432 Seiten mit ca. 400 Abbil­dungen, 24 x 31 cm, gebunden, 38 € im Museumshop.

Ausstellungsumfang

Insgesamt rund 2100 qm Ausstel­lungs­fläche: Haupt­halle, Kabinette EG, Galerie 1. OG.

Ausstellungskuratoren

Dr. Ralf Beil, Direktor, Dr. Uta Ruhkamp, Kuratorin, Kunst­mu­seum Wolfsburg

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Pressestimmen

Die Einladung zu synäs­the­ti­scher Wahrneh­mung und Reflexion war prägend für die legendäre Londoner Ausstel­lung „This is Tomorrow”, für die der Künstler (Richard Hamilton) seiner­zeit die Collage entworfen hatte. Und sie prägt die grandiose Wolfs­burger Schau, die an sie erinnert. In ihr zollen der Direktor des Kunst­mu­seums Ralf Beil und seine Kuratorin Uta Ruhkamp in einem fantas­ti­schen, sich weit auffä­chernden Panorama der briti­schen Pop Art Respekt. Mit einer unglaub­li­chen Fülle an Materia­lien, Werken und Künst­ler­por­träts machen sie die Vorrei­ter­rolle sichtbar, die Großbri­tan­nien bei der Entwick­lung der Pop Art gespielt hat. […] Unbedingt sehens­werte Ausstel­lung. Nicht versäumen!

Michael Stoeber, Kunst­forum Inter­na­tional, 01.01.2017

„This Was Tomorrow“ ist die zweite große Schau, die Beil kuratiert hat, diesmal zusammen mit Uta Ruhkamp. „Wir haben ganz London auf den Kopf gestellt und eine Pop-Explosion der ersten Güte zusam­men­ge­tragen“, sagte Beil gestern. Über 500 Exponate sind in Wolfsburg zu sehen.

dpa, 27.10.2016

„Get back“, geh‘ zurück in die 60er Jahre. In eine Zeit, in der die Beatles dieses Lied sangen; in der Neil Armstrong auf dem Mond landete, Alltags­ge­gen­stände zu Kunst­ob­jekten wurden, schöne Frauen für schnelle Autos warben, futuris­ti­sche Filme liefen, „Get back“ in der Juke Box lief. „This Was Tomorrow“ zeigt, was uns bewegte und noch bewegt: Wohnen, Wettrüsten, Krieg, Umwelt, Konsum, Mode und Musik.

Hans Karweik, Wolfs­burger Nachrichten, 28.10.2016

Jetzt können Besucher in der reichen Ausstel­lung die Anfänge dieser aufmüp­figen Kunst wieder entdecken, die fast naiven Bilder von Peter Blake oder die abstrakte Malerei von Richard Smith. So unter­schied­lich die Arbeiten sind, haben sie doch eines gemeinsam. Hinter der vergnüg­li­chen Fassade verbirgt sich ein immens politi­scher Kern.

Simone Reber, SWR 2, 28.10.2016

Dass der Pop Art auch Frauen gehörten, ist heute aller­dings fast vergessen. Doch auch an sie erinnert Uta Ruhkamp. Eine wirkliche Entde­ckung ist Jann Haworth: Sie schuf lebens­große Skulp­turen, von denen ihr Lehrer Eduardo Paolozzi ihr riet, sie in Bronze zu gießen. Die Künst­lerin entschied sich jedoch, sie in „Stoff zu gießen“: Aus dem typisch weibli­chen Material formt sie zum Beispiel einen lässig an einer Wand lehnenden Cowboy oder einen braun­ge­brannten coolen Surfer – und demon­tiert mit dem weichen Material deren „stählerne Männlich­keit“! Ein halbes Jahrhun­dert sind diese Arbeiten alt – und noch immer ein ätzender Kommentar auf eine männlich dominierte Gesellschaft.

Anette Schneider, Deutsch­land­radio Kultur, Fazit, 29.10.2016

Die Insze­nie­rung mittels aufwän­diger Ausstel­lungs­ar­chi­tektur hat Direktor Ralf Beil schon während seiner Zeit an der Darmstädter Mathil­den­höhe perfek­tio­niert. In der hohen Haupt­halle des Kunst­mu­seums sind stili­sierte Straßen, Plätze und Künst­ler­häuser unter­schied­li­cher Zuschnitte entstanden, die die Nachbar­schaften unter­schied­li­cher Positionen während der Swinging Sixties verdeut­li­chen. Hinter jeder Fassade steckt eine Geschichte.

Carsten Probst, Deutsch­land­funk, Kultur heute, 31.10.2016

„Wer in das Wolfs­burger “Swinging London” reist, taucht tatsäch­lich in eine andere Epoche ein. Und es ist die große Leistung dieser Ausstel­lung, dass sie die Exponate in ihrem zeitli­chen und räumli­chen Zusam­men­hang zeigt – in dieser faszi­nie­renden Pop-Art-City, die jeder Besucher für sich persön­lich immer wieder neu entdecken kann.“

Alexander Kohlmann, Deutsch­land­funk, Corso, 01.11.2016

Von Anfang an ist die englische Variante reicher an Facetten, vielstim­miger als die ameri­ka­ni­sche. Auch intel­lek­tuell diffe­ren­zierter. Die Ameri­kaner zitierten die Motive ihrer Kunst aus der Realität ihrer Epoche – die Engländer wollten politisch und ästhe­tisch eine andere Wirklich­keit. Vor allem Richard Hamilton (1922–2019) sah als Theore­tiker wie mit seiner Malerei und seinen Instal­la­tionen in der Pop-Art die Chance, verkrus­tete Gegeben­heiten, die Archi­tektur nicht ausge­nommen, kritisch zu unter­laufen. Damit stand er den Ideen der Bauhaus-Bewegung der zwanziger Jahre in Weimar und Dessau nahe. „Was macht heutige Wohnungen so anders, so verlo­ckend?“ nannte er das Modell einer ironisch-exzen­tri­schen Innen­ein­rich­tung, 1956 eine Attrak­tion jener „This is Tomorrow“-Schau, die ein helleres Morgen beschwor, als wäre es schon gekommen. England damals ganz vorn.

Peter Iden, Frank­furter Rundschau, 23.11.2016

Dauernd mischen sich in der Ausstel­lung Nolst­al­gie­mo­mente mit Gesell­schafts­kritik, die bis heute Skepsis über das Werbe­pa­ra­dies gießt. 60 Jahre nach Hamiltons bahnbre­chender Multi­media-Instal­la­tion „Fun House” laufen wir links und rechts davon Archi­tek­tur­mo­delle und Entwürfe ab, auch ein kurioses „Haus der Zukunft” des Duos Smithson. Wir sehen Fotos, hören Musik. Alles fügt sich zu einem Panorama des „Swinging London” um 1968.

Ingeborg Ruthe, Berliner Zeitung, 28.11.2016

So soll es sein, so muss es sein.Großartig, wenn ein Buch auch dank seines Layouts den Inhalt kommun­ziert. Unter der Kreativ­di­rek­tion von Mario Lombardo ist es dem Kunst­mu­seum Wolfsburg gelungen, die Ausstel­lung „This Was Tomorrow. Pop Art in Great Britain” (bis 19. Februar 2017) mit einem von Direktor Ralf Beil und Kuratorin Uta Ruhkamp heraus­ge­ge­benen 420-Seiten-Pracht­ka­talog zu begleiten, der größte Freude macht, weil er auf allen Ebenen überzeugt.

Infor­ma­ti­ons­dienst Kunst, Ausgabe Nr. 616, 01.12.2016

Der Katalog zur Ausstel­lung, ist, wie die Ausstel­lung selbst, fulminant, seine Gestal­tung eine Fortset­zung und Ergänzung des kurato­ri­schen Konzepts.

Roger Behrens, Jungle World, 05.01.2017

Für Liebhaber der Ära und für alle, die das Thema als Ganzes überbli­cken wollen, präsen­tiert das Kunst­mu­seum Wolfsburg ein pralles Gesamt­paket der briti­schen Pop-Kunst. […] Die Analyse von Werbe- und Kommu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gien, der Wille zur Begrün­dung und Verbrei­tung neuer Mythen, die Vermi­schung von High- und Low-Kultur, die Ausein­an­der­set­zung mit Geschlech­ter­rollen sowie dem Wert oder Unwert oberfläch­li­cher Effekte: Solche Anliegen der Pop-Kunst sind nach wie vor aktuell.

Ursula Seibold-Bultmann, Neue Zürcher Zeitung, 07.01.2017

In Deutsch­land war eine vergleich­bare Retro­spek­tive seit Jahrzehnten nicht zu sehen. […] Fröhliche Nostalgie ist unange­bracht, rückwärts­ge­wandte Utopie fehl am Platz, eigent­lich können einem die Tränen kommen angesichts von so starker Energie eines Aufbruchs. Schön wäre es, wenn die steile Sixties-Revue auch bei solchen Betrach­tern ankommt, denen eine Flut von Werken entge­gen­tritt, die vor ihrer Geburt entstanden. Dann spüren sie die Inten­si­täten eines rasanten Lebensgefühls.

Rose-Maria Gropp, Frank­furter Allge­meine Zeitung, 18.01.2017