Peter Hujar

Eine Anmut von Leben und Tod. Fotografien von 1963-1985

18. 2. — 23. 4. 1995

Infos

Peter Hujar wurde 1934 in New Jersey als Sohn ukrai­ni­scher Einwan­derer geboren. Im Alter von 12 Jahren zog er mit seiner Mutter nach Manhatten und war nach seinem Diplom an der High School of Art and Design Assistent bei Richard Avedon. Bis Anfang der siebziger Jahre arbeitete er als kommer­zi­eller Fotograf für Werbe­bü­rors und Modema­ga­zine (Harper’s Bazaar).

Dann zog er sich aus der Welt der Werbe­bilder zurück. Sein Interesse galt nicht den konstru­ierten Wirklich­keiten, die das Natür­liche mit gestal­te­ri­schen Tricks zur Künst­lich­keit überhöhten, sondern der Unver­fälscht­heit seiner Motive. Er schwamm damit gegen den Strom einer künst­le­ri­schen Bewegung, die in den siebziger Jahren versuchte, konven­tio­nelle Seh- und Wahrneh­mungs­weisen durch experi­men­telle Ausdrucks­formen zu verändern und die dabei die angestammten Materia­lien, Räume, Größen und Grenzen verließ. Die Fotografie jener Zeit ersetzte das Einzel­bild durch Bildse­quenzen, operierte mit Verzer­rungen, Unschärfen, Farbver­schie­bungen und unter­schied­li­chen Bildträ­gern. Vor allem aber wurde sie großflä­chig. Hujar war ein künst­le­ri­scher Außen­seiter, der sich dem Zeitgeist verweigerte.

Seine meist quadra­ti­schen Schwarz­weiß­ab­züge, der einfache, klare, strenge Bildaufbau, häufig im kargen Studio mit sparsamer Requisite, waren ein deutli­cher Kontra­punkt. Die Atmosphäre seiner Arbeiten wirkt klassisch. Sie erinnert formal an die existen­tia­lis­ti­sche Fotografie der fünfziger Jahre, unter­scheidet sich jedoch grund­le­gend durch ihre Thematik: die persön­liche Welt Hujars, die Welt der Homose­xu­ellen und Transvestiten.

Entgegen der syste­ma­ti­schen Suche und Darstel­lung und den struk­tu­ra­lis­tisch angelegten Recher­chen der siebziger Jahre inter­es­sierte sich Peter Hujar immer nur für das vor ihm Stehende, Sitzende, Liegende, Wachsende, Sprin­gende: der Mensch, das Pferd, der Schuh, das Wasser. Hujar hat nie Posen insze­niert, immer hat er nur das fotogra­fiert, was seine Modelle bereit waren, ihm zu ziegen und wie sie es zeigen wollten. Seine Bilder wirken immer sehr intim, nie voyeu­ris­tisch. Program­ma­tisch gab er seinem ersten Fotobuch von 1976 den Titel: “Portraits in Life and Death”, das Aufnahmen seiner sterbenden Kunst­freunde aus der New Yorker Szene mit Bildern von den verwesten Toten aus den Katakomben in Palermo zusammen zeigt. Er versuchte, die Verletz­lich­keit der Menschen zu beschreiben, kein Heldentum. Von gleichem Gewicht war für ihn die Darstel­lung von Sexua­lität und Nacktheit, so wie jeder von uns sie kennt – alltäg­lich, nie fremd und ohne erotische Klischees. Er appel­lierte nicht an geheime Phanta­sien wie Helmut Newton und wollte auch keine ästhe­ti­sche Position der Nacktheit beschreiben wie Robert Mapplethorpe, auch nicht bei seinen Aufnahmen erigierter Penisse. Diese Haltung, seine Verwei­ge­rung gegenüber dem sogenannten ‘Kunst­be­trieb’ und sein öffent­li­ches Eintreten für Homose­xua­lität sind wohl ein Grund dafür, warum Hujar bisher nur wenig bekannt ist. Erst heute, nachdem die Zeit der Erfin­dungen und Experi­mente mit dem Medium abgeschlossen scheinen und vor allem als Gegen­po­si­tion einer uns erdrü­ckenden Bilder­flut, lernen wir die Stille und Andacht seiner Bilder schätzen.

Nach einer ersten europäi­schen Ausstel­lung, 1981 von Jean-Chris­tophe Ammann für das Kunst­mu­seum Basel mit Peter Hujar zusam­men­ge­stellt, ist die in Wolfsburg gezeigte Ausstel­lung mit fast 150 Arbeiten die erste retro­spek­tive Präsen­ta­tion der Fotoar­beiten in Deutsch­land. Sie war zuvor im Stedelijk Museum Amsterdam  und im Fotomu­seum Winter­thur zu sehen.