Doug Aitken

Metallic Sleep

17. 2. — 13. 5. 2001

Infos

Die Ausstel­lung der Arbeiten Doug Aitkens im Kunst­mu­seum Wolfsburg ist die erste umfas­sende Ausstel­lung des ameri­ka­ni­schen Künstlers in Deutsch­land und zeigt eine Video­in­stal­la­tion, eine Sound-Instal­la­tion und Großfo­to­gra­fien aus den Jahren 1998 bis 2000. In den Kunst-Werken Berlin wird in Ergänzung zur Wolfs­burger Ausstel­lung eine weitere Video­in­stal­la­tion zu sehen sein.

Auf der 48. Biennale di Venezia im Jahr 1999 gewann Aitken für seine Instal­la­tion „Electric Earth“, die zentraler Bestand­teil der Wolfs­burger Ausstel­lung sein wird, den Premio Inter­na­zio­nale der Jury. Im Rahmen verschie­dener Gruppen- und Einzel­aus­stel­lungen waren seine Arbeiten kürzlich im Centre Georges Pompidou in Paris, im Whitney Museum of American Art in New York und in der Wiener Secession zu sehen.

Doug Aitken, 1968 in Redondo Beach, Kalifor­nien, geboren, studierte von 1986 bis 1987 am Marymount College in Palos Verdes und von 1987 bis 1991 am Art Center College of Design in Pasadena. Aitken hat zunächst bei einer Vielzahl von Musik­vi­deos Regie geführt wie beispiels­weise für Bands wie Fat Boy Slim, Iggy Pop, Barenaked Ladies und m‑ziq. Seine Videos wurden häufig auf den Musik­ka­nälen in Amerika, Asien und Europa gezeigt und Fotoar­beiten gelangten im New York Magazine, im Interview Magazine, im Rolling Stone, dem I‑D Magazine und Ray Gun zur Veröf­fent­li­chung. Ein Buch mit seinen Fotogra­fien wurde 1998 unter dem Titel „Metallic Sleep“ veröf­fent­licht und gab der Ausstel­lung in Wolfsburg ihren Namen.

Seine Filmar­beiten „Diamond Sea“, „Electric Earth“, „American Inter­na­tional“, „Eraser“ und „Cathouse“, die auch als raumgrei­fende Instal­la­tionen ausge­führt wurden, präsen­tierte der Künstler als Single-Channel-Versionen auf inter­na­tio­nalen Filmfestivals.

Die Wolfs­burger Ausstel­lung beginnt mit der mehrere Projek­ti­ons­flä­chen und Räume umfas­senden Instal­la­tion „Electric Earth“. Der Betrachter, der den ersten Raum von Aitkens Arbeit, die aus 8 Projek­tionen besteht, betritt, sieht sich dem Protago­nisten der Video­ar­beit gegenüber, dem exzen­tri­schen Tänzer Ali „Gigi“ Johnson, der mit einer Fernbe­die­nung in der Hand auf einem Bett liegt. „Oft tanze ich so schnell, dass ich zu dem werde, was sich um mich herum befindet“, sagt er mit monotoner Stimme. „Ich absor­biere diese Energie … es ist so als würde ich sie essen. Das ist das einzige Stück Jetzt, was ich bekommen kann.“ Johnson streift durch ein Zwischen­reich aus verwüs­teten Landschaften, von den Neonlich­tern einer Autowasch­an­lage über die Lichter eines Schau­fens­ters voller Sport­tro­phäen bis hin zu einem Coca-Cola-Automaten in öder Stadtlandschaft.

In „Electric Earth“ erreicht der Künstler eine Verknüp­fung zwischen der elektri­fi­zierten Struktur unserer urbanen Umwelt und dem Nerven­system des mensch­li­chen Körpers. „Ich bin Essen­tia­list“, sagt der 32-jährige Aitken. „Ich wollte etwas auf den Punkt bringen, das vollkommen elementar ist, mit einem Terrain, das sich zugleich überall und nirgends befindet“.

„Hysteria“ aus dem Jahr 1998 ist ursprüng­lich eine Audio-Video­in­stal­la­tion, die Aitken für Wolfsburg jedoch erstmalig in als reine Audio­in­stal­la­tion präsen­tiert. Das empha­ti­sche und zuweilen hyste­ri­sche Schreien von Popfans aus den letzten 40 Jahren hat Aitken von den Bildern der eksta­ti­schen Jugend­li­chen abgekop­pelt. In Erman­ge­lung von Bildern fällt dem Betrachter die Deutung der Schreie schwer. Musik und die Schreie stellen Jugend­kult und Körper­er­fah­rung in den Mittel­punkt der Installation.

Ein weiterer zentraler Bestand­teil der Wolfs­burger Ausstel­lung ist die Fotoar­beit „Rise“, die das Lichter­meer des nächt­li­chen Los Angeles zeigt. Ähnlich wie in „Electric Earth“ erscheint hier die Stadt als magischer, elektri­fi­zierter Ort. Immer wieder geht es um eine Art Hyper­ak­ti­vität auf der einen Seite und den Zustand schein­barer Ruhe, schein­baren Still­stands anderer­seits. Die Stadt ist für Aitken Inbegriff dieser Ambivalenz.

Das Kunst­mu­seum Wolfsburg hat in der Vergan­gen­heit wieder­holt mit Berliner Insti­tu­tionen zusam­men­ge­ar­beitet, um die Aufmerk­sam­keit der Berliner auf die Aktivi­täten des per ICE kaum eine Stunde entfernten Kunst­mu­seums zu lenken.

Um das in der Wolfs­burger Schau präsen­tierte künst­le­ri­sche Spektrum Aitkens zu erweitern, entstand die Idee, in Koope­ra­tion mit den Kunst-Werken Berlin für die dortigen Räumlich­keiten eine Video­in­stal­la­tion auszu­wählen. Vom 18. Februar bis zum 8. April wird in der großen Ausstel­lungs­halle der Kunst-Werke die im Jahr 2000 reali­sierte Video­in­stal­la­tion „I Am In You“ zu sehen sein. Auf fünf Projek­ti­ons­flä­chen sieht man ein junges Mädchen, das einen rätsel­haften Text spricht. „I like to run and not slow down. I like to see and look“, raunt das Mädchen und starrt die Besucher ins Übermensch­liche vergrö­ßert an. Loops von unter­schied­li­chen Sequenzen, die spielende Hände, Bilder von Flugzeugen, vom Lenkrad eines Autos und von badenden Kindern zeigen, wechseln sich ab. Der Sound variiert zwischen knisternder Stille, Klavier­spiel, techni­schem Sphären­klang und Höllenlärm.

Alle ausge­wählten Werke sind von eindring­li­cher visueller Inten­sität, prägen sich ein und spielen im Grenzfeld von Popkultur und Medien­kunst. Die Produk­ti­ons­weise des Künstler ist an der Schnitt­stelle zwischen indus­tri­ellem und digitalem Zeitalter angesie­delt und es wird stets deutlich, dass Aitken sein künst­le­ri­schen Visionen für seine visuellen Insze­nie­rungen aus dem Feld kommer­zi­eller Video­pro­duk­tionen heraus entwi­ckelt hat.

Katalog
Doug Aitken. Notes for New Religions. Notes for No Religions [Künst­ler­buch anläss­lich der Ausstel­lung Doug Aitken. Metallic Sleep]
Texte von Francesco Bonami, Veit Görner, Henry Grunwald und Jörg Heiser (dt./engl.)
26,5 x 21 cm, ca. 114 S., 79 farbige Abb.
Hatje Cantz Verlag, Ostfil­dern-Ruit 2001
ISBN 3–7757-1060–4
vergriffen