Sergej Jensen
Ohne Titel
2011

© Sergej Jensen
© Sergej Jensen
auf Jute genähte Stoffe
220 x 190 cm
Inv. 2011/01
Schenkung Freundeskreis des Kunstmuseum Wolfsburg e.V.
Die Arbeiten des Dänen Sergej Jensen erinnern leicht an Werke des abstrakten Expressionismus. Jedoch handelt es sich nicht um Malerei, sondern um Textilien, die auf die Leinwand – hier ersetzt durch einen groben, braunen Jutestoff – aufgenäht wurden. Auf diese Weise hält das Alltägliche Einzug in seine Bilder, und durch eingebaute optische „Störfaktoren“ wie grobe Stiche oder halb abgerissene Fransen werden sie zur sinnlichen Erfahrung. Damit wendet sich Jensen ab vom geistigen Anspruch der abstrakten Malerei der 1950er- und 1960er-Jahre, verhilft dieser aber so gleichzeitig zu neuem Leben.
Die dunklen pfeilartigen Streifen auf dem Bild fransen zur Mitte hin aus und verweisen so auf einen unsichtbaren, nicht fixierbaren Punkt zwischen ihnen. Dies lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Struktur des Jutestoffs darunter, die ein unruhiges, netzartiges Muster bildet. Die Streifen wiederum bestehen aus blockartig und relativ akkurat zusammengenähten, dunklen Stoffflicken, was an die Farbfeldmalerei etwa eines Barnett Newman denken lässt. Dabei könnte Jensens Arbeit zugleich eine Hommage und eine Kritik an der abstrakten Malerei der 1950er- und 1960er-Jahre sein. Das Besondere nämlich an den Gemälden von Sergej Jensen ist, dass sie gar keine sind. Er selbst bezeichnet sie als „paintings without paint“, wie es als Beschreibung auch auf die unbetitelten Arbeiten in der Sammlung des Kunstmuseums Wolfsburg zutrifft. Denn Hauptbestandteil der Bilder ist das gefundene Textil von verschiedenen Texturen, Strukturen und Farben, wie hier die Ärmel eines Gewandes aus Afghanistan. Teils wettergegerbt, ausgefranst oder mit Schmutz versehen, werden sie von Jensen aneinandergenäht. Durch den Einzug des Alltäglichen auf die Leinwand und das Einbauen von „Eyecatchern“, wie groben Stichen oder Reißzwecken, werden die Bilder zur sinnlichen Erfahrung und wenden sich ab vom geistig-psychologischen Anspruch der abstrakten Malerei, auf die sie anspielen. Somit führen sie deren Tradition weiter, greifen auch die kritischen künstlerischen Positionen dazu auf und überführen sie zuletzt in die heutige Zeit.[1]
Jensens abstrakte Arbeiten gehören zu seiner bekanntesten Schaffensphase. Aber auch in figurativer Malerei setzt er sich wie hier intensiv mit kunsthistorischen Motiven auseinander. Daneben widmet er seine künstlerische Tätigkeit außerdem der Installation und Musik. Klara Niemann
[1] Vgl. Niklas Maak, „Sagt nicht, es sei euch zu abstrakt“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.11.2010, (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/zeitgenoessische-kunst-sagt-nicht-es-sei-euch-zu-abstrakt-11067411.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0) [letzter Zugriff: 16.11.2018]